Die Bemühungen um die Erhöhung der Biodiversität bleiben in der Steiermark nicht allein auf Arten in der freien Natur beschränkt, sondern sie richten sich auch auf den Erhalt der Vielfalt von regionaltypischen Kulturpflanzensorten und Nutztierarten. Gerade in Gärten, auf Feldern und Weiden des Vulkan- und Thermenlandes finden sich noch manche genetische Schätze, deren besondere Eigenschaften in jüngster Zeit wieder Beachtung bei Verbraucherinnen und in der Gastronomie finden. Auch werden von regionalen Erzeugern verarbeitete Produkte dieser Raritäten zunehmend honoriert. Zu den regionaltypischen Sorten und Rassen, die eine Renaissance erfahren, gehören etwa:

Der Steirische Maschanzker-Apfel

Eine früher hochgeschätzte, später immer mehr in Vergessenheit geratene alte Apfelsorte ist der Steirische Maschanzker. Die erste Beschreibung findet sich 1877 in den „Pomologischen Monatsheften“ unter dem Namen Steirischer Winterborsdorfer, eine Bezeichnung, die neben Eisapfel auch heute noch vereinzelt verwendet wird. Auch die Schreibweise „Maschansker“, also mit „s“ statt „z“, ist durchaus gebräuchlich. Vermutlich entstand die Sorte aber schon vor 1800, verbreitete sich über die ursprüngliche Anbauregion hinaus und wurde bis ungefähr 1960 relativ häufig gehandelt.

Der Steirische Maschanzger besitzt eine gelbe, auf der Sonnenseite rötliche Schale

Der vitaminreiche Winterapfel ist ab Ende Oktober erntereif und kommt in drei unterschiedlichen Fruchtformen vor: hochgebaut, breit und kleinfrüchtig. Alle besitzen eine glatte, matt-glänzende, in der Reifephase stroh- bis hellgoldgelbe, auf der Sonnenseite leicht gerötete Schale. Das gelblichweiße Fruchtfleisch ist fest, recht saftig und angenehm süß-würzig. Der Steirische Maschanzker mit seinem typischen Geschmack eignet sich gut als Tafelapfel, zur Herstellung von Säften, Kompotts und Bränden, aber auch zum Kochen und Backen.

Die Manufaktur Gölles verwendet die alte Sorte für ihren edlen „Apfelbrand Maschansker“

Seltene Hühnerrassen: Sulmtaler und Altsteirer

Das Sulmtaler Huhn, eine Geflügelrasse aus dem Süden der Steiermark kam einst über die Grenzen Österreichs hinaus zu hohen kulinarischen Würden – und zwar bei Hofe. Es trägt daher auch den Beinamen „Kaiserhuhn“, denn besonders die Kapaune – kastrierte, gemästete Sulmtaler Hähne – wurden im 19. Jahrhundert in den Königs- und Kaiserhäusern Europas als besondere Delikatesse geschätzt. Nach den Weltkriegen ereilte die Sulmtaler das Schicksal vieler Regionalrassen, deren rapider Niedergang sie schließlich an den Rand des Aussterbens brachte. Als typisches Zweinutzungshuhn, das sowohl wegen seines Fleisches als auch wegen der Eier gehalten wurde, konnte es mit den spezialisierten Rassen nicht mithalten. Zum Vergleich: Die Aufzucht eines Sulmtaler Huhns aus Freilandhaltung dauert bis zur Schlachtreife beinahe sechs Mal so lange wie die von hybriden „Turbohühnern“ aus industriellen Mastbetrieben. Hinzu kommt, dass das Kastrieren der männlichen Tiere inzwischen verboten ist, so dass kein Fleisch der besonders schmackhaften Kapaune mehr vermarktet werden kann.

Die widerstandsfähigen, wetterharten Sulmtaler Hennen sind meist weizenfarbig, es kommen aber auch weiße Tiere vor. Ein auffälliges Merkmal dieser Rasse ist der aufrecht stehende Kamm und der „neckische“ Federschopf der Hennen. Die Hähne haben einen goldbrauen Hals, einen kastanienbraunen Rücken und grüne Federn am restlichen Körper.

Wenigen engagierten Züchtern und der gehobenen steirischen Gastronomie, die diese regionale Fleischspezialität wegen ihres kräftigen Geschmacks und der zarten Textur wieder gerne verwendet, ist es zu verdanken, dass die Sulmtaler heutzutage wieder vermehrt gezüchtet werden. Auch, um einem Südsteirischen Nationalgericht, dem Backhendl, zu neuen kulinarischen Höhen zu verhelfen.

Bei den Altsteirerhühnern handelt es sich um eine sehr alte, ausgesprochen robuste  Landhuhnrasse, die ebenfalls als typisches „Zwiehuhn“ gehalten wurde. Schon im 13. Jahrhundert zeugen historische Abbildungen von Urahnen dieses Huhns. Damals hieß es noch Steirer Huhn, da es sich um eine im Gebiet der Steiermark häufig anzutreffende Rasse handelte. Über Jahrhunderte entwickelte sich schließlich das heutige Altsteirer Huhn aus diesen verschiedenen Landhuhn-Schlägen, die teilweise, wie die Sulmtaler, Federhauben trugen. Früher kamen die Altsteirer in sechs unterschiedlichen Farben vor, heute nur noch in zwei Varianten, nämlich weiß und wildbraun. Der weiße Farbschlag ist deutlich seltener und daher werden speziell diese Tiere als vom Aussterben bedroht eingestuft. Die Rasse benötigt für ihr Wohlbefinden einen gut strukturierten Lebensraum mit extensiven Wiesenbereichen, Hecken, Gebüschen und (Obst-)Bäumen für Nahrungssuche und Deckung, Sand- und Schotterflächen zum Sandbaden und besonnte Böschungen. Sie sind das ganz Jahr über – auch im Winter – gerne draußen. Um Gefahren zu entgehen, können sie weit fliegen – oft über hundert Meter – und landen dabei sogar auf Hausdächern.

Das Krainer Steinschaf

Das ursprünglich nur im Alpenraum beheimatete Steinschaf gehört zu den ältesten Schafsrassen überhaupt. Neben dem Alpinen Steinschaf existieren noch vier eigenständige Regionalrassen, nämlich das Bayerische, das Tiroler, das Montafoner in Vorarlberg und das Krainer Steinschaf, das ursprünglich in den Julischen Alpen im Dreiländereck Kärnten, Slowenien und Friaul gehalten wurde. Der größte Bestand in Österreich befindet sich mit 18 Betrieben inzwischen in der Steiermark, insbesondere auch im Vulkan- und Thermenland.

Das Krainer Steinschaf ist mittelgroß, mit geradem Nasenprofil und kurzen waagrecht stehenden Ohren. Die grobe Mischwolle ist überwiegend weiß und schwarzbraun, graue und gescheckte Färbungen sind seltener. Gesicht und Beine sind unbewollt, der Schwanz hingegen muss bewollt sein. Die Tiere sind vorwiegend hornlos, lediglich ca. 10 Prozent der Schafe und Widder tragen Hörner.

Die Wolle diente in früheren Zeiten der Deckung des Hausbedarfs in den bäuerlichen Höfen sowie der Erzeugung von strapazierfähigem Loden; seltener wurde Milch zur Käseerzeugung gewonnen. Das feinfaserige, fettarme Fleisch besitzt eine hohe Qualität, ein dezentes, feinwürziges Aroma und weist bedingt durch hochwertiges Gras- bzw. Heu-Futter und aufgrund des langsamen Wachstums einen hohen Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren auf.

Das Krainer Steinschaf wurde von Slow Food International als „Passagier“ in die “Arche des Geschmacks“ aufgenommen. Die meisten Herdbuch-Tiere des Krainer Steinschafs werden in der Steiermark von Bio-Betrieben gezüchtet.

Die Steirische Scheckenziege

Der Süden der Steiermark gehört zum Stammland einer auffälligen und hübschen Rasse, nämlich der Steirischen Scheckenziege. Sie ist ein typisches autochthones Nutztier von Berg- und Hügellandschaften, das aus verschiedenen Landschlägen der Region herausgezüchtet worden war. Ende der 1990er Jahre wurden die bunten Tiere schließlich als eigenständige Rasse anerkannt.

Die Steirische Scheckenziege wird 3-färbig in braun-schwarz-weiß oder 2-färbig in schwarz-weiß bzw. braun-weiß gezüchtet. Die dreifärbigen haben ein helleres Braun als die alpinen Tauernschecken-Ziegen aus dem Salzburger Land. Der Kopf weist meist eine durchgehende Blässe auf.

In der Zucht wird eine fruchtbare, widerstandsfähige und langlebige Ziege mit hoher Wirtschaftlichkeit aufgrund hoher Aufzuchtleistung und guten Muttereigenschaften angestrebt. Sie sollte darüber hinaus trittsicher sein.

Da die Nachfrage nach Ziegenmilchprodukten in den letzten Jahren kontinuierlich zunimmt und die Rasse über eine hohe Milch-Leistung und –Güte verfügt, finden sich wieder vermehrt Züchter, die sich für die Haltung der typischen Steirerin entscheiden. Auch, weil sie sich für extensive Haltung in allen Beweidungsformen eignet und dabei als „Landschaftspflegerin“ hilft, durch die Abweidung aufwachsender Sträucher und Bäume offene Flächen vor der Verbuschung bzw. Bewaldung zu bewahren.

Text: Peter Grett
Bilder:
Aufmacher Scheckenziege: Photo Luttenberger
Bilder im Text:
Apfel und Apfelbrand: Manufaktur Gölles
Sulmtaler Hahn und Hennen: Mittmannsgruber
Altsteirer Hahn: Stanek
Bilder Krainer Steinschafe: Barbara Soritz
Scheckenziege 1: Steirischer Schaf- und Ziegenzuchtverband eGen
Scheckenziege 2 + 3: Hubert und Regina Mittmannsgruber

Kontakte:
ARCHE Austria – Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen
Scheffau 25a
5440 Scheffau am Tennengebirge
Postanschrift:
Pfaffenriederstraße 23
4563 Micheldorf
Tel.: 0664/5192286
E-Mail: office@arche-austria.at

https://www.arche-austria.at/

Arche Noah - Verein für den Erhalt, die Verbreitung und die Entwicklung vom Aussterben bedrohter Kulturpflanzensorten
Obere Straße 40
3553 Schiltern
Tel: +43 (0)2734 / 8626
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