Steiermark, das grüne Herz Österreichs. Viele mögen bei diesem Slogan zuerst an alpine Landschaften mit hohen Gipfeln, stillen Bergseen, idyllischen Almen und tiefen Schluchten denken. Doch sind die Wald- und Gebirgsregionen längst nicht die einzigen touristischen Attraktionen des mit unterschiedlichen Klimazonen und Landschaftsformen so reich gesegneten zweitgrößten österreichischen Bundeslandes.

Der Name ist Programm

Ein besonders attraktives Reiseziel ist das Steirische Thermen- & Vulkanland, das seinen Namen aufgrund zahlreicher, aus der anmutigen Hügellandschaft emporragender Vulkankegel und -Fragmente verliehen bekam. Hier, wo die Erde vor 17 Millionen Jahren aufbrach und gewaltige aufgestaute Energie am Südostrand der Alpen entlud, profitiert man noch heute von der wohltuenden Wärmezufuhr aus dem Erdinneren, nämlich dort, wo Feuer und Wasser aufeinandertreffen. So sprudeln bis zu 110 Grad heiße Quellen an gleich fünf Thermenorten aus einer maximalen Tiefe von 3.000 Metern und versorgen Erholung- und Genesung-Suchende mit besonders weichem, heilkräftigem Wasser.

Doch bietet die Region im Südosten Österreichs weit mehr als allein Entspannung, sie schmückt sich zurecht mit dem Beinamen Erlebnis- und Genussregion. Neugierig geworden? Hier erfahren Sie, was es damit auf sich hat.

Besondere Naturerlebnisse in Hügel- und Flusslandschaften

Neben den geologischen und naturräumlichen Gegebenheiten trug auch die traditionelle Landwirtschaft im steirischen Thermen- und Vulkanland mit ihren überwiegend kleineren Mischbetrieben entscheidend zum Mosaik an vielgestaltigen Elementen bei. Wenn auch heute mancherorts Maisäcker das Bild der Agrarflächen prägen, so begeistern sich Besucherinnen der Region wie ehedem an Impressionen von einer einzigartigen, bisweilen an die Toskana erinnernden, Hügellandschaft.

Dort, wie auch in den Ebenen laden Mischwälder, Flussauen, Weiden und Streuobstwiesen zur Naturerkundung ein. Und dazwischen eingestreut finden sich Rebhänge und Felder, auf denen die Früchte heranwachsen, die das berühmte „grüne Gold der Steiermark“ liefern, nämlich die Ölkürbisse.

Die Ölkürbisse liefern das berühmte „Grüne Gold“ der Steiermark

Die vielgestaltige Landschaft der Süd- und Oststeiermark bietet vielen, gerade auch seltenen Tieren und Pflanzen ein Refugium. So konnten bis heute über 10 000 Arten in der Region nachgewiesen werden.

Ein besonderes faunistisches Juwel bildet das letzte Brutvorkommen einer im gesamten deutschsprachigen Raum ansonsten ausgestorbenen Vogelart, der Blauracke. Diese neben dem Bienenfresser und dem Eisvogel farbefrohste Art in Mitteleuropa verdankt ihr Überleben dem Einsatz des eigens zu deren Schutz gegründeten Vereins „Lebende Erde im Vulkanland“. Dieser bewirtschaftet 300 Naturschutzflächen wie Wiesen, Teiche und Streuobstbestände und engagiert sich für die Vernetzung mit Beständen dieses spektakulären, etwa hähergroßen Vogels in Südosteuropa.

Die wunderschöne Blauracke brütet im deutschsprachigen Raum nur noch im steirischen Thermen- & Vulkanland.

Der Verein setzt ausschließlich auf geführte Angebote wie etwa Rangertouren, die Habitate werden selbstverständlich nicht öffentlich preisgegeben, um Störungen zu vermeiden. Zu klein und sensibel ist der Blaurackenbestand und zu groß die Gefahr eigenmächtiger Begehung oder Befahrung des Brutgebietes.

Im Herbst können Interessierte an Führungen des Vereins in die pilzreichen Wälder teilnehmen, im Winter zu geologischen Sehenswürdigkeiten und im Frühjahr stehen Durchzieher und Brutvögel sowie orchideenreiche Wiesen auf dem Programm. Bemerkenswert: Das auch als „Blaurackenverein“ bekannte Naturschutz-Bündnis führt in Eigenregie einen ökologischen landwirtschaftlichen Betrieb, mäht jeden Sommer nach einem speziellen Managementplan über 250 Wiesenflächen ein- bis zweimal und erntet im Herbst 1600 hochstämmige Obstbäume ab. Dazwischen finden immer wieder interessante Öffentlichkeitsveranstaltungen statt, wie Schnittkurse, Korbflechten, Sensenmähkurse, Ausflüge in benachbarte Naturschutzgebiete, die Nacht der Fledermäuse, das Blaurackenfest, Obstsortentage oder Pilzkurse.

In den vom Blaurackenverein betreuten Biotopen konnten über 10 000 Arten nachgewiesen werden, darunter auch die seltene Zwergohreule.

Gemeinde Unterlamm – „Mensch und Natur im Einklang“

Im Jahr 2019 gründete sich in der Südoststeirischen 1200-Seelen-Gemeinde Unterlamm die Arbeitsgruppe „Mensch & Natur im Einklang“ mit dem Ziel, die einzigartige Natur- und Kulturlandschaft des Ortes mit ihrem riesigen Artenreichtum durch nachhaltiges und ganzheitliches Handeln zu erhalten. Es blieb indes nicht lange bei der Absichtsbekundung. Dank des großartigen Engagements von Bürgerschaft und Gemeinde gelang es mit Unterstützung durch den Naturschutzbund Steiermark und mit finanziellen Mitteln eines EU-LEADER-Programms in kurzer Zeit ein Dutzend „ERLebensräume“ zu planen und umzusetzen.

Ein Projekt, das nicht nur die Biodiversität fördern, sondern zugleich ein ästhetisches Zeichen in der Kommune setzen sollte, widmete sich der Erstellung eines „5-Sterne-Insektenhotels, das schließlich im Sommer 2021 realisiert werden konnte. Diese „Luxusherberge“ befindet sich inmitten einer Bienenblumenwiese und eines Schmetterlingsgartens. Sie bietet zahlreichen Arten von Schmetterlingen, Wildbienen, Käfern, Heuschrecken, Fliegen, Mücken, Florfliegen, aber auch Amphibien und Reptilien einen Lebensraum- und Fortpflanzungsmöglichkeiten. Für die ansprechende Gestaltung sorgte die aus dem Ort stammende Künstlerfamilie Marko unter Einbeziehung von Kindergartenkindern und Schülern der Volksschule. Eine Aktion, die anderen Gemeinden zur Nachahmung empfohlen sei, verbindet sie doch die Förderung von bedrohten Arten mit einer handlungsorientierten, kreativen Form der Umweltbildung.

Das Insektenhotel wurde von Artenschützern und örtlichen Künstlern zusammen mit Kindern gestaltet

Gezielte Schutzmaßnahmen betreffen auch den Erhalt einer Orchideenwiese, auf der im Rahmen einer Biotopkartierung 24 geschützte Pflanzenarten festgestellt wurden. Zu diesen zählen etwa Gras-Platterbse, Weißmiere, Kleines und Brand-Knabenkraut, Pyrenäen-Schafmilchstern und Mittel-Leinblatt. Ein weiterer ERLebensraum befindet sich auf einem großen zusammenhängenden Streuobstbestand mit alten Apfel-, Kirsch- und Walnussbäumen, der nicht nur gepflegt, sondern von der Arbeitsgruppe auch mit regionaltypischen, alten Sorten revitalisiert wird.

Auch das Brand-Knabenkraut, eine seltene Orchidee, findet im Unterlammer Gemeindegebiet noch ideale Standortbedingungen vor

Weitere Projekte widmen sich dem Erhalt und der Verbesserung von Lebensräumen u.a. für Amphibien, Käferarten wie dem Rotbeinigen Erdbock und dem selten gewordenen Wiedehopf.

Insbesondere dem Engagement des Bürgermeisters Robert Hammer ist es zu verdanken, dass eine mächtige, rund 25 Meter hohe Schwarzpappel in den 1990er Jahren vor der Fällung bewahrt wurde. Heute besitzt dieser Riese, mit einem Umfang von fast 10 Metern der größte seiner Art in Österreich, den Status eines geschützten Naturdenkmals. Eine Besonderheit der Unterlammer Schwarzpappel im Ortsteil Oberlamm ist auch ihr Alter, das auf über 300 Jahre taxiert wird, wohingegen ihre Artgenossen gewöhnlich nur 100 Jahre erreichen. Inzwischen kümmert sich ein Baumchirurg regelmäßig um die Greisin, von der auch Setzlinge für eine Nachzucht in Ihrer Nähe gezogen wurden, um so das wertvolle Genmaterial zu sichern. Hildegard von Bingen empfahl Teile der Schwarzpappel zur Anwendung bei diversen Krankheiten, in der Volksmedizin sollten sie bei Husten und Fieber helfen.

Die größte und mit über 300 Jahren älteste Schwarz-Pappel Österreichs steht in Unterlamm

Generell gehört die ursprüngliche Wildform der Schwarz-Pappel zu den gefährdeten Baumarten. Die Ursache liegt in der Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums in der Nähe von Fließgewässern und ihrer genetischen Vermischung mit Kanadischen- und Bastard-Schwarzpappeln, die in Plantagen angebaut werden. In Deutschland wird der Bestand der unverfälschten Exemplare auf nur mehr einige Tausend geschätzt.

Von einer Aussichtswarte eröffnet sich Naturbegeisterten der Blick auf zahlreiche ERLebensräume der Gemeinde Unterlamm

Speziell im Frühjahr bietet das Gemeindegebiet von Unterlamm seinen Besuchern beeindruckende Naturerlebnisse. Von einer eigens errichteten Aussichtswarte eröffnet sich Naturfreundinnen der Blick auf zahlreiche extensiv bewirtschaftete Wiesen, naturnahe Hecken und alte Streuobstbestände. Eine perfekte Anregung, alle 12 ERLebensräume zu erkunden.

Der UNESCO Biosphärenpark Unteres Murtal – ein wahres Naturjuwel

Im Jahr 2019 wurde die Flusslandschaft Unteres Murtal in die Liste der UNESCO Biosphärenparks aufgenommen. Dieser befindet sich in der Südoststeiermark sowie Teilen der Südweststeiermark und gliedert sich auf insgesamt 13 180 Hektar in eine Kern-, Puffer- und eine Entwicklungszone. Entlang der Flussstrecke von 33 Kilometern bildet das Gebiet das zweitgrößte zusammenhängende Auwaldvorkommen Österreichs.

Durch die natürliche Dynamik der Mur entstehen laufend neue Lebensräume für zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten, darunter 300 verschiedene Spezies von Vögeln, zu denen etwa Seeadler, Uferschwalbe, Eisvogel, Flussuferläufer und Schwarzstorch zählen.


Neben bekannten Fischarten kommen auch der Gold-Steinbeißer mit seinem auffälligen  Fleckenmuster und der Schlammbeißer vor, der auch in ausgetrockneten Gewässern wochenlang im Schlamm überlebensfähig ist, da er in der Lage ist, Luft zu schlucken und Sauerstoff über den Darm aufzunehmen.

Der UNESCO Biosphärenpark Unteres Murtal ist wie zwölf weitere Schutzgebiete Teil des grenzüberschreitenden, weltweit einzigartigen „5 Länder Biosphärenparks Mur-Drau Donau“, der im Jahr 2021 von der UNESCO anerkannt wurde. Mit seiner Fläche von 930.000 Hektar und auf 700 Flusskilometern ist somit Europas größtes zusammenhängendes Flussschutzgebiet entstanden.

Der UNESCO Biosphärenpark bietet zahlreichen seltene Arten wie dem Schwarzstorch einen idealen Lebensraum

Ein gemütlicher Rundwanderweg über 13 Kilometer in der Nähe von Bad Radkersburg führt Besucherinnen des Gebiets durch den einzigartigen Auwald-Lebensraum. Die Besonderheit dieser „K13 Murauen Weg“ genannten Route sind die an 13 Wegetappen ausgewiesenen Vorschläge zu Bewegungs- und Atemübungen. Über diese „Natur-Resonanz“-Einheiten soll die Verbindung zur Natur gestärkt werden. Je nach Zeit, Lust und Kondition können Wanderer auch Abkürzungen über drei gekennzeichnete Varianten nehmen. Zwei Varianten sind zudem kinderwagentauglich und somit attraktiv für Familien.

Idyllische Impressionen entlang des Mur-Radwegs

Radfahrerinnen und E-Biker kommen auf der Etappe sieben des landschaftlich abwechslungsreichen, 453 Kilometer langen Mur-Radwegs, die von Leibnitz nach Bad Radkersburg führt in den Genuss beeindruckender Impressionen vom Biosphärenpark. Und wer die 168 Stufen des 28 Meter hohen Murturms bei Mureck erklimmt, gelangt von dort oben an faszinierende Perspektiven auf die Murauen und Teile des „Grünen Bandes von Europa“.

Inmitten der Auenlandschaft, unmittelbar an der Grenze zu Slowenien, befindet sich die Murecker Schiffsmühle. Nach dem Prinzip eines Hausbootes gebaut, befindet sich bei diesem Mühlentyp die gesamte Mühlen- und Mahltechnik einschließlich des Antriebs, dem Wellrad, auf einer schwimmenden Plattform.

Einzigartig: Die schwimmende Murecker Schiffsmühle

Jahrhundertelang drehten sich auf der unteren Mur dank des Wassers die großen Räder der Schiffsmühle. Sie wurde 1997 nach originalem Vorbild wieder errichtet und ist die einzige schwimmende und funktionierende Mühle Mitteleuropas in traditioneller Bauweise.

Vogelparadies auf Ausgleichsflächen

Die Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs- und -Betreibergesellschaft ASFINAG musste sich  im Zuge des Baus der Fürstenfelder Schnellstraße S 7 verpflichten, Ausgleichsflächen zu erwerben. Da diese Naturräume auf 530 Hektar einen hohen Wert für die Biodiversität darstellen, haben sich auf verschiedenen Arealen bereits nach kurzer Zeit 151 Vogelarten angesiedelt.

Einer der Experten, die dafür sorgen, dass die Artenvielfalt dieser Vogelparadiese aus zweiter Hand dokumentiert und der Öffentlichkeit zugängig gemacht wird, ist Josef Geiger. Der leidenschaftliche Fotograf hat auf seinen Bildern bereits viele seltene Arten wie u.a. Bienenfresser, Bruchwasserläufer, Eisvogel, Fischadler, Goldregenpfeifer, Kiebitz, Löffelente, Zwergtaucher festgehalten. Der ornithologische Star ist jedoch der Seeadler, der hier eine neue Heimat gefunden hat.

Speziell ein, mit 15 Hektar relativ kleines, Gebiet übt auf die Vogelwelt eine besondere Anziehungskraft aus. Den Grund dafür erklärt der Vogelkundler Otto Samwald: „Entscheidend für den Erfolg dieser Fläche sind die Lage, die Größe und die Beschaffenheit. Wir haben hier eine zusammenhängende Wiesenfläche, die auch viel Feuchtwiesenanteil mit Schwimminseln hat und somit der ideale Lebensraum für viele Tiere ist.“

Der UNESCO Biosphärenpark bietet zahlreichen seltene Arten wie dem Schwarzstorch einen idealen Lebensraum

Ein eigenes Öko-Team kümmert sich um die Kontrolle des Gebiets, das zwei Mal im Jahr auf Kosten der ASFINAG gemäht wird. Im Winter werden dort Weiden entfernt, um ein Zuwachsen der Wiese zu verhindern. Neben zahlreichen Vogelarten haben auch Amphibien, darunter die seltene Wechselkröte und viele Libellen-Arten eine neue Heimat gefunden.

Text: Peter Grett
Bilder:
Aufmacher Murufer: Robert Sommerauer
Herbstlandschaft mit Weinbergen: Robert Sommerauer
Kürbisse: Christian Thomaser
Blauracke: Michael Tiefenbach
Zwergohreule: Wolfgang Hartmann
Insektenhotel: Gemeinde Unterlamm
Brand-Knabenkraut: Christoph Beyer
Schwarzpappel: Gemeinde Unterlamm
Aussichtswarte: Gemeinde Unterlamm
Schwarzstorch: Mario Romulicm
Mur-Radweg: Robert Sommerauer
Murecker Schiffsmühle: Biosphärenpark Unteres Murtal
Reiher: Josef Geiger