Neben urbanen Metropolen wie München, Nürnberg oder Augsburg sind es vor allem alpine Landschaften mit ihren Bergen, Seen, Wäldern und Almen, die den meisten Menschen in den Sinn kommen, wenn sie an Bayern denken. Dabei wartet der Freistaat gerade für Naturentdecker noch mit zahlreichen weiteren attraktiven Reisezielen auf. Manche davon sind selbst den meisten „Bajuwaren“ unbekannt, wie etwa der Naturpark Steinwald mit seinem markanten Granitrücken, zwischen Oberpfälzer Wald und Fichtelgebirge gelegen.
Nomen est omen
Steinwald, welcher Name könnte das prägende Bild dieser mystischen Landschaft trefflicher beschreiben? Denn wer den fast durchgängig bewaldeten Höhenzug erkundet, trifft immer wieder auf markante Felsblöcke und bizarre Steinriesen. Wind und Wetter haben über Jahrtausende diese imposanten Granitgebilde wie etwa den, aus offener Feldflur aufragenden, Teufelsstein oder solche mit ebenso klangvollen Namen wie den Räuber- oder den Saubadfelsen modelliert.
Von der Platte, dem 946 Meter hohen Hauptgipfel des Steinwaldes, auf welchem der Oberpfalzturm thront, eröffnet sich Wanderern ein beeindruckendes Panorama bis weit über die tschechische Grenze hinaus. Ebenso von der sich in einen imposanten Felsen einfügenden Burgruine Weißenstein.
Mosaik aus verschiedenartigen Lebensräumen
Kaum ein Naturpark beheimatet auf einer vergleichsweise kleinen Fläche wie der Steinwald mit seinen lediglich 23.000 Hektar eine derart große Fülle an seltenen Pflanzen- und Tierarten. Der Grund dafür liegt einerseits an der dünnen Besiedlung, aber auch an den unterschiedlichen Landschaftstypen und Lebensräumen in der Region.
Zwar sind die Wälder noch überwiegend mit Fichten bewachsen, doch sind deren Bestände infolge des Waldumbaus zunehmend mit Kiefern und Buchen, Bergahorn, Eichen und Tannen durchsetzt. Was überall auffällt ist die reiche Krautschicht mit Preisel- und Heidelbeeren, die in den meisten Fichtenkulturen hierzulande fehlt.
An den zahlreichen schattigen, kühlen Quellen und Bächen wachsen Pflanzen, die auf hohe Luftfeuchtigkeit angewiesen sind. Auch entlang der wildromantischen Waldnaab, dem östlichen Quellfluss der Naab, die sich zwischen Falkenberg und Windischeschenbach durch einen rund 12 Kilometer langen Canyon mit bis zu 50 Meter hohen Granitwänden schlängelt, finden außergewöhnliche Arten einen idealen Lebensraum.
Doch sind es nicht nur Wald- und Fließgewässerbiotope, in denen seltene Spezies im Steinwald beheimatet sind, sondern auch an und in unzähligen stehenden Gewässern. So trägt der Landkreis Tirschenreuth, in dem sich der Naturpark befindet, nicht von ungefähr den Beinamen "Land der tausend Teiche". In Summe sind es sogar um die 4.700 Gewässer, die meisten davon bewirtschaftete Teiche, in denen hauptsächlich Karpfen heranwachsen.
Mehrere Wanderwege und Radrouten wie auf dem Vizinalbahn-Radweg oder Karpfen-Radweg führen durch die wasserreiche Region um Tirschenreuth, Wiesau, Kemnath und Mitterteich und machen die Teichwirtschaft erlebbar.
Außergewöhnliche Artenvielfalt
Im Steinwald kommen botanisch Interessierte voll auf ihre Kosten. Sie finden auf Lichtungen, an Wald- und Wegrändern das Fuchs´sche Greiskraut ebenso wie Goldnesseln, auf der montanen Stufe etwa die Verschiedenblättrige Kratzdistel. Diese stattliche Pflanze trägt rote Blüten und hat ihren Namen wegen der unterschiedlich ausgebildeten Blätter, von denen die einen ungeteilt und die anderen gefiedert sind. An schattigen, kühlen Quellen und Bächen mit hoher Luftfeuchtigkeit wachsen Bitteres Schaumkraut, Hexenkraut und Gegenblättriges Milzkraut.
Besonders blumenreich sind die Wald- und Moorwiesen im Naturpark. Dort wachsen neben bekannten Pflanzen wie Kuckuckslichtnelke oder Thymian auch seltene Arten wie Arnika und Waldläusekraut. Auf einigen Wiesen im Steinwald gedeihen Orchideen wie die Weiße Waldhyazinthe, das Gefleckte Knabenkraut, das Breitblättrige Knabenkraut und das bis zu 70 Zentimeter hohe Männliche Knabenkraut. Eine Moorwiese im westlichen Steinwald birgt schöne Bestände der Rauschbeere.
Wer sich einer Flechtenwanderung anschließt, begegnet der seltenen Fuchsflechte, die Ihren Namen der Tatsache verdankt, dass mit der darin enthaltenen Vulpinsäure, die ihr die gelbe Farbe verleiht, früher in Schweden und im Alpenraum Füchse vergiftet wurden.
Auch die Tierwelt des Naturparks weist eine beeindruckende Vielfalt an Arten auf. Neben typischen Waldbewohnern wie Reh- und Rotwild, Fuchs und Wildschwein, kommen im Steinwald auch viele seltene und scheue Arten wie etwa Luchse und Schwarzstörche vor.
Raritäten sind unter anderem auch Gartenschläfer, Moorfrosch, Raubwürger und die Nadelholz-Säbelschrecke. Mit etwas Glück und Geduld können Birdwatcher über der Teichlandschaft sogar See- und Fischadler ihre Kreise ziehen sehen.
Manchen Arten wie der Kreuzotter, der äußerst seltenen Flussperlmuschel, dem Schwalbenschwanz-Schmetterling, Fledermäusen und der Heilpflanze Arnika sind eigene Schutzmaßnahmen gewidmet.
Das wohl spektakulärste Projekt gilt der Wiederansiedelung der seltensten europäischen Eule, dem Habichtskauz. Unter Federführung des Vereins für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität (VLAB e.V.) und zusammen mit mehreren Kooperationspartnern verfolgen die Artenschützer das Ziel, 100 Jahre nachdem dieser faszinierende Vogel in seinem westlichsten Verbreitungsgebiet ausgestorben war, wieder eine lebensfähige Population zu etablieren. Diese soll sich langfristig in den Wäldern des nordostbayerischen und nordwestböhmischen Mittelgebirges ausbreiten und mit der isolierten Population des bayerisch-böhmischen Waldes im Südosten vernetzen.
In den Jahren 2017 bis 2022 erhielten die Projektbeteiligten aus in- und ausländischen Tierparks insgesamt 60 junge Habichtskäuze zur Wiederansiedlung. Diese wurden in drei Wald-Volieren rund vier Wochen lang eingewöhnt und im Alter von etwa 100 bis 120 Tagen endgültig ausgewildert. In einem Umkreis von rund 50 Kilometern wurden bisher 200 Brutkästen in Ergänzung zu natürlichen Brutmöglichkeiten – Hochstümpfe und starkes Totholz – installiert.
Natur erleben im Steinwald
Besucherinnen erfahren an den vier Informationsstellen Markthaus Fuchsmühl, der Grenzmühle, bei der Glasschleif Pullenreuth und dem Waldhaus Wissenswertes über die Region. Und wer Lust hat, Bildung und Bewegung zu kombinieren, begibt sich auf den WaldErlebnis- oder den Waldhistorischen Lehrpfad. Eine besondere Attraktion trägt den Namen „Ewilpa“, was für „Essbare Wildpflanzenpark“ rund um den Markt Waldeck bei Kemnath steht. Beispielhaft für Umweltbildung mit allen Sinnen.
Die Öko-Modellregion Steinwald-Allianz
Zur Steinwald-Allianz haben sich 17 Mitgliedskommunen zusammengetan, um die regionale Wertschöpfung in dieser strukturschwachen Region koordiniert zu verbessern. Ursprünglich wurde die Allianz für den Radwegebau des Steinwald-Radweges bzw. der gemeinsamen touristischen Vermarktung gegründet. Dazu trägt seit 2014 auch der Förderstatus als eine von 26 Bayrischen Öko-Modellregionen bei, der durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verliehen wird, um den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen zu erhöhen. Im Laufe der letzten Jahre hat die Steinwald-Allianz ihr Programm der Bewusstseinsbildung für Nachhaltigkeit stetig ausgebaut und viele Angebote kreiert, um interessierte Verbraucherinnen über den Ökolandbau und die Bio-Produkte vor Ort mit Spaß und Erlebnischarakter zu informieren. Das Programm für Jung und Alt, Einheimische und Touristen ist bunt und vielfältig. Dazu gehören organisierte Radtouren durch die Öko-Region, Bio-Koch- und -Backkurse, Spaziergänge für Grundschulkinder ebenso wie Projekte zur Förderung der Artenvielfalt und Hofführungen bei Bio-Landwirten. Auch die gemeinsame Bio-Rindfleischvermarktung durch die Erzeugergemeinschaft Öko-Rinder aus dem Steinwald ist ein Projekt der ersten Stunde in der Modellregion.
Geologie erleben im „Vulkanerlebnis Parkstein“
Gerade auch geologisch Interessierten bietet die Oberpfalz zahlreiche Highlights. Vor allem im Süden und im Osten ist der Steinwald von einer Basaltkuppenlandschaft umzogen, aus der teils bizarre Felsformationen hervorragen. Basalt gilt als ein Urgestein der Erde, er ist vulkanischen Ursprungs und existiert seit vielen Millionen Jahren.
Ein lohnendes Ziel nicht nur von Berufs- und Hobby-Geologen, sondern auch von interessierten Laien, ist der südlich des Steinwalds gelegene Ort Parkstein mit seinem imposanten, schon von weitem sichtbaren Basaltkegel.
Wer sich einer empfehlenswerten Führung durch eine Geo-Rangerin/einen Geo-Ranger anschließt, kann sogar ins Innere des Vulkans gelangen und zwar über einen Felsenkeller, der in früheren Zeiten mühevoll gegraben und als Lagerraum für Bier und Lebensmittel genutzt wurde. Hier lassen sich anhand von helleren Schichten in den dunklen Trümmergesteinen Indizien für frühere Explosionen erkennen.
Am Gipfel angekommen, erblicken Besucher die Mauerreste der einst prächtigen Burganlage des „Hohen Parkstein“. Diese wurde bereits im Jahr 1052 erstmals urkundlich erwähnt. Nebenbei erhält man an mehreren Stationen entlang eines „Geopfads“ an Gesteinsexponaten gut verständliche Infos.
Im Ort selbst ist der Besuch des „Vulkanerlebnis Parkstein“ ein absolutes Muss. Es befindet sich in einem ehemaligen Landrichterschloss, ergänzt durch einen Neubau. Hier kann man sich mit Hilfe modernster didaktischer und museumspädagogischen Vermittlungsmethoden auf eine geologische Zeitreise vom Tertiär über das Mittelalter bis zur Gegenwart begeben.
Die Vermittlung der Inhalte u.a. durch kurze Filme und über Audioinfos ist verständlich und anschaulich. Besonders faszinierend und aufregend ist ein „echter“ Vulkanausbruch mit Lichtsäule, Rauch und einem lauten Donnern. Eine beeindruckende Demonstration, durch das sich die Urgewalt einer solchen Explosion erahnen lässt.
Parkstein ist auch Sitz des gemeinnützigen Vereins GEOPARK Bayern-Böhmen e. V. Zu dessen Aufgaben gehört neben dem Geotopschutz und der regionalen und grenzüberschreitenden Entwicklungszusammenarbeit auch die geowissenschaftliche Umweltbildung. Neben den Führungen der Geo-Ranger werden Interessenten auch „GEO-Touren“ angeboten, auf denen an acht bis 15 Standorten im Geopark jeweils ein Thema behandelt wird. Für die GEOPARK-Routen und die GEO-Touren stehen teils Web-Apps zur Verfügung. Diese können über den jeweiligen QR-Code auf internetfähige Smartphones geladen werden.
Für Leib und Seele: Markt & Cafe Parkstein
Angefüllt mit reichlich Informationen etwa über erkaltetes Magma, das sich in Basaltsäulen verwandelte und in den letzten 23 Millionen Jahren erodierte, halten manche Wissensdurstige eventuell Ausschau nach einem beschaulichen Plätzchen, an dem sich zumindest eine Kleinigkeit verköstigen lässt. Der Autor dieser Zeilen entdeckte, geplättet von der Fülle spannender Informationen, im Ort unverhofft eine ganz spezielle Mixtur aus Café, Galerie und Verkaufsladen. Mit einer tollen Kuchenauswahl und einem idyllischen, liebevoll gestalteten Garten im Innenhof.
Nähere Infos und Tipps zum Naturerkunden, zu regionalen Spezialitäten und Unterkünften einschließlich Kontaktadressen und Verlinkungen finden Sie auf unserer „Serviceseite Steinwald.“
Text: Peter Grett
Bilder:
Aufmacher: Siegfried Steinkohl
Bild 1 Burgruine Weißenstein und Bild 2 Teichpfanne: Oberpfälzer Wald – Thomas Kujat
Bild 3 Knabenkraut: Siegfried Steinkohl
Bild 4 Fuchsflechte: Johannes Bradtka
Bild 5 Arnika und Bild 6 Schwalbenschwanz: Siegfried Steinkohl
Bild 7 Habichtskauz: VLAB e.V. - Bernd Fischer
Bild 8 Rotes Höhenvieh: Karl Scholler
Bild 9 Basaltwand: Johannes Poschner
Bild 10 Vulkanerlebnis Parkstein: Peter Grett
Bild 11 Markt & Cafe Parkstein: Johannes Poschner