Josef Zotter gehört zu den Erfindern der handgeschöpften Schokolade, die er, in 500 Geschmackssorten aus 400 unterschiedlichen Bio-Zutaten kreiert, weltweit vertreibt. Der erfolgreiche Unternehmer aus der Steiermark produziert ausschließlich in Bio- und Fair- Qualität. Gleichzeitig verkörpert das Multitalent den Impresario seines Schoko-Laden-Theaters, in dem alle Zyklen der Schokoladenherstellung erlebt werden können – Kostproben inbegriffen. Transparenz ist auch das Motto des „Essbaren Tiergartens“, in dem die Besucher auf 27 Hektar Fläche eine Bio-Erlebnis-Landwirtschaft erwartet. Insgesamt bewirtschaftet der „Andersmacher“ und Visionär 90 ha als Landwirt.
Ein e-mobiler Pionier
Josef Zotters erstes E-Auto war ein Citroën Saxo électrique, denn er sich 1999 zulegte. Damals brauchte er noch zwei Tage von Kärnten bis zu sich nach Hause. Ladeinfrastruktur: ein Fremdwort damals. Seine persönliche Erfahrung, elektrisch zu fahren, gibt Josef Zotter gerne an seine Mitarbeiter weiter.
Seit dieser Zeit als E-Pionier ist mit seinen persönlichen Erlebnissen auch die Zotter- E- Flotte kontinuierlich gewachsen. Dazu zählen inzwischen ein E-Motorrad, ein E-Moped, ein E-Scooter und ein Markenmix von elf Elektroautos. Zwei E-Lastenräder ergänzen das Potpourri des umweltfreundlichen Fuhrparks. Für diesen stehen 10 Ladestationen für Firmen-PKW (nur Eigennutzung) zur Verfügung, daneben zwei öffentliche, kostenpflichtige Charger sowie zwei Ladesäulen für E-Bikes.
Typisch „Sepp“, wie Josef Zotter von seinen Mitarbeitern gerne genannt wird: “es ist wichtig, dass der Chef das kleinste Auto des Fuhrparks fährt“. Folglich stand der kleine „Saxo“ bereits 1999 auf dem „Einser-Parkplatz“, umgeben von größeren Mitarbeiter-Fahrzeugen. Ein Statement. Seit 2012 nimmt diesen Platz ein Opel Ampera ein. Zu diesem E-Modell mit „Range extender“ erzählt Zotter gerne ein kleines „ Anekdötchen“: Wenn er einmal im Jahr seinen in die Jahre gekommenen Ampera mit einer Laufleistung von über 400.000 km in die Werkstatt bringt, sagen die Mechaniker: „schaut‘s, jetzt kommt der Zotter wieder, an dem wir nichts verdienen, ist ja eh wieder nichts kaputt“. Josef Zotter hingegen schätzt diesen Aspekt der Servicefreundlichkeit der E-Autos… Seine Haltung und Einstellung zur E-Mobiliät manifestiert sich auch in der Aussage, nicht mit elektrischen Zweieinhalb-Tonnern Spazierfahrten unternehmen zu wollen. Dies wäre ein zu großer Widerspruch zu seinem ganzheitlichen, ökologischen Denkansatz.
Mittlerweile sind die Mitarbeiterinnen ebenso wie die Familienmitglieder von den „Stromern“ überzeugt und wissen, für welchen Einsatzzweck die jeweiligen Vehikel prädestiniert sind. Reichweitenängste gehören der Vergangenheit an. Und während Josef Zotter so am Erzählen ist, kommt ein junger Mitarbeiter mit feinstem Speck auf dem Tablett und Sepp kommentiert: „Schaut‘s, das ist unser „Schinken-Online“. Ein echter Zotter wie er leibt und lebt.
Wir lauschen ihm weiter mit freudiger Erwartungshaltung. Damit Sie daran teilhaben können, hören Sie selbst, was „Sepp“, der „Bauernhofromantiker“, wie er sich selbst charakterisiert, zu erzählen weiß.
Ökostromerzeugung als logische Konsequenz des Nachhaltigkeitsanspruchs
Bereits 64% des kompletten Energieaufkommens, inklusive des Ladestroms für die E-Flotte stammen aus der eigenen Stromerzeugung. Durch die Errichtung einer Photovoltaikanlage mit 108 Modulen und einer Leistung von 76,5 kWp (Ertrag: 99.000 kWh/Jahr) wurden bereits erste Energieeffizienzmaßnahmen eingeleitet. 2015 und 2018 steigerte sich der Eigenstromanteil durch die Inbetriebnahme weiterer Photovoltaikflächen, 2021 werden im Bereich der Landwirtschaft weitere Photovoltaikmodule mit einer Leistung von 199 kWp in Betrieb genommen. Die Landwirtschaft und Gastronomie im „Essbaren Tiergarten“ sind dank der Photovoltaikanlage energieautark. Die restlichen 36% des gesamten Strombedarfs werden durch den Einkauf von zertifiziertem Ökostrom erbracht. Damit basiert die Energieversorgung bei Zotter auf 100 Prozent „Grünstrom“.
Privat lebt Josef Zotter mitten in einem kleinen „Ökoparadies der Sonderklasse“, wie er sein Refugium bezeichnet. Dort darf auf vier Hektar alles wachsen, außer einer kleinen Spur rund ums Haus, die er in zehn Minuten gemäht hat.
Typisch steirische Leibspeisen
Der „Andersmacher“ zählt seine Lieblingsgerichte seit Kindheitstagen auf. Nach wie vor seien es das Steirische Backhendl und der Käferbohnen-Salat. Wobei er ergänzt, dass die Käferbohnen mittlerweile auch als „Steirische Oliven“ bekannt seien und zu den Produkten gehören, die in das EU-Herkunftsschutzregister aufgenommen wurden. Eingelegt in Öl, Essig und Kräuter, ein Schmankerl der besonderen Art. Und natürlich angereichert mit dem berühmten steirischen Kürbiskernöl.
Einer seiner ersten gewagten Schokoladen-Kreationen war denn auch vor 30 Jahren eine Kürbis-Marzipan-Schokolade. Damals gewagt, und sicher etwas Besonderes. Dann folgte die Käse-Schokolade, die schon polarisierte und gleich darauf die Hanf-Schokolade für die Jüngeren. Die „Zotterei“ nahm ihren Lauf.
Den Bezug zur Kindheit haben wir nun hergestellt, aber hat sich denn etwas im Essverhalten, in seiner Einstellung zu Landwirtschaft oder generell zur Erzeugung von Nahrungsmitteln etwas geändert?
Jetzt ist Der „Sepp“ wahrlich in seinem Element. Wie kann es anders sein, sieht sich doch als „Auswärts-Vegetarier“. Damit umschreibt er, dass er zuhause weiß, was auf den Teller kommt: alles ist 100% Bio, 100% fair gehandelt, 100 % Ökostrom. Eine klare Haltung, kein Mischmasch von da a bisserl Bio, da a bisserl Ökostrom. Die Zotters brauchen auch keine externe Agentur, die ein Öko-Image kreiert. Den stetigen Umsatzzuwachs führt er unter anderem auch darauf zurück, dass die Käufer der Zotter-Produkte ihrer Qualität und dem Nachhaltigkeitsversprechen vertrauen. Das Ergebnis: trotz des Corona-bedingten Rückgangs um mehr als 100.000 Besucher in der Zotter-Erlebniswelt stieg in 2020 der Umsatz.
Schwein gehabt
Und während wir uns ein Stück von der „Schinken-Online-Leitung“ nehmen, zeigt Josef Zotter auf das lichte Waldstück jenseits der kleinen Talsenke seines 90 ha-Areals. „Schaut’s a mal die Schweinderl da drüben an“. Wir erkennen keine wilden, aber frei herumvagabundierende Sauen, der urtümlichen „Mangaliza“-Rasse. Wuselnd „rüsseln“ sich kleine und große durch den Waldboden. Tierwohl pur. Direkt an Zotters „Tier-Oase“ angrenzend, „erzeugt“ ein konventioneller Landwirt 3.000 Schweine…
Zotter liebt seine Tiere. Sie seien nicht nur sauber, sondern sehr intelligent. Im Gegensatz zur intensiven Schweinewirtschaft müsse er auch nur zweimal im Jahr „Hausputz“ in den Ställen machen. Und schon folgt wieder eine Anekdote, die typisch für die Lebenswelt der „Zotterei“, sein Team und die freudige Atmosphäre in und um die Erlebniswelt am Bergl fühlbar ist. Seine jetzige „Pralinen-Macherin“, 23 Jahre jung, hatte sich „andersmacherartig“ um eine Stelle für eine Schokolatier-Ausbildung beim „Sepp“ beworben. Sie erschien mit einem kleinen Schweinderl an der Leine zu einem spontanen Vorstellungsgespräch am Rande einer Veranstaltung. Sie schaute dem Josef tief in die Augen und sagte kurz und bündig: „Herr Zotter, ich möchte mich bei Ihnen bewerben“ und landete so einen Volltreffer bei ihm. Er stellte sie sofort ein. Sie hatte im wahrsten Sinne des Wortes „Schwein gehabt“.
Selbstverständlich: soziales Engagement
Nebenbei bemerkt Josef Zotter, dass es im Betrieb wenig Krankenstände und Fluktuation gäbe. Natürlich gäbe es für alle Gratis-Essen, frisch gekocht aus dem Bio-Restaurant, das Menü, Frühstück und Abendessen, inklusive Getränke. Im Interview sprechen wir nicht oft über Zahlen. Der durchschnittliche Krankenstand in Österreich läge bei ca. drei Prozent, bei ihm etwa bei 1, 6 Prozent, berichtet der Multiunternehmer. Alle Wohltaten und sein Engagement für seine Mitarbeiter amortisieren sich wie selbstverständlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Dass der „Sepp“ in seinem Erlebnisraum auch kreativ mit Wohnraum umzugehen weiß, erklärt sich, als wir nach möglichen Übernachtungsmöglichkeiten in dieser Idylle fragen. Nein, das nicht, sagt der Schokolatier, Andersmacher und Bauernhofromantiker, aber er hält drei temporär bewohnte „Wohnungen“ für befreundete Künstler vor. Jetzt, in der Ferienzeit werden die Wohnungen allerdings als Kindergarten genutzt, sozusagen als Betreuungsstation für die Kinder der Frauen, die in der Zotter-Erlebniswelt arbeiten. Teilweise bieten diese Unterkünfte inmitten des Zotter-Paradieses Wohnraum für Flüchtlinge.
Nun sitzen wir schon weit mehr als die geplanten 30 Minuten zusammen. Wir bleiben wahrlich auch nicht auf dem Trockenen sitzen, denn parallel zu seinen Erzählungen und Anekdoten ordert er bei Adam, dem jungen Kellner, noch ein Glaserl Steirischen Sauvignon für uns „aber bitte um ein viertel Millimeter weniger einschenken als sonst, die Herren müssen ja noch weiter fahrn“. Jeder zweite Satz des Josef Zotter wird mit einem Augenzwinkern untermalt. Anhaltend freudige Stimmung. Ein Bonmot gibt das andere. Doch wir halten die Linie.
„Essbarer“ Tiergarten
Ein Unikat im Zotter-Erlebnis-Raum, neben der berühmten „Erlebnis-Schokolaterie“ im umhausten Bereich des Zotter-Imperiums, ist der „essbare Tiergarten“ im Außenbereich. Es ist kein Zoo im eigentlichen Sinn mit exotischen Tieren, sondern hier leben heimische Nutztiere, die auf großen Weiden artgerecht gehalten werden.
Anfangs war es noch nicht sicher, ob das Konzept ein totaler Flopp oder eine nachhaltige Erfolgsgeschichte werden würde. Zunächst waren es die Lehrerinnen, die nicht so recht wussten, wie sie den Kindern einen „essbaren Tiergarten“ erklären sollte, während die Kinder die Tiere streicheln und füttern durften. Transparenz war schließlich das Lösungswort. Darüber reden, was vor sich geht, bevor das Essen auf den Teller kommt. Zotter wollte sogar eine Petition auf den Weg bringen, die jeden Tierhalter, Fleischproduzent, der öffentliche Subventionen annimmt, verpflichten sollte, drei, frei zugängliche, Parkplätze vor seinem Hof zu schaffen, um von dort durch eine große Scheibe in den Stall hineinschauen zu können. So verwundert es nicht, dass sein Betrieb aus allen Bauernorganisationen ausgeschlossen ist.
Die Idee ist aufgegangen, zieht doch die gesamte Schokoladen- und Tier-Erlebniswelt jährlich über 200 000 Besucher an. Und sie leistet einen essentiellen Beitrag zum bewussten, qualitativen und einem weniger Verzehren tierischer Nahrung, erfahren die Tiere doch hier eine sichtbar höhere Wertschätzung als in Betrieben mit Massentierhaltung. Kurzum, Zotter möchte für die Wertigkeit dessen sensibilisieren, was sich später auf dem Teller wiederfindet. Die Menschen erkennen sofort, dass in allen „Produkten“ gute Arbeit steckt, denn durch Transparenz der einzelnen Arbeitsschritte entsteht ein Sensorium für die Achtung unserer Lebensmittel.
Schwierige Anfänge
Dass Josef Zotter zum erfolgreichen Schokolatier und Biolandwirt wurde, verdankte er wie so oft in Generationen-Konflikten dem Willen, dem Vater beweisen zu wollen, dass man selbst wüsste, wie die eigene Zukunft zu gestalten sei. So war sein Vater ein „Hardcore-Landwirt“, der stets die neuesten Kunstdünger und Spritzmittel einsetzte, welche die Agrochemie hergab. Ganz im Gegensatz zum „Andersmacher“, der nach den neuesten Methoden der Biolandwirtschaft Ausschau hält. Also wollte Josef Zotter mit 15 Jahren so schnell als möglich weg von dem Giftspritz-Szenario. Nach zehn Jahren, kurz vor seinem Tod wurde Sepp‘s Vater allerdings zum Bewunderer seines Sohnes und genoss es, die Arbeit und das Werk seines Sohnes zu beobachten. Kulminierend in der Aussage: „wahrscheinlich hast du doch recht“.
Nachdem Zotter seine Erfahrungen mit mehreren Kaffeehausgründungen in Graz gemacht hatte, sich immer mehr der globalen Klimaveränderungen und der Ursachen bewusst geworden war, startete er seine Schokolaterie im ehemaligen Kuhstall der väterlichen Landwirtschaft; das Erbe der landwirtschaftlichen Fläche hatte der Vater ihm erst einmal verweigert. Jungen Menschen, die zu ihm kommen und danach fragen, wie man erfolgreich wird und wie sein Businessplan aussah, antwortet er kategorisch: „vergiss es. wenn du eine gute Idee hast, brauchst du kein Geld, da reicht ein Keller, eine Garage.“ Klein anfangen und wenn die Idee nicht einfach ist, ist sie nicht gut. Proof of Concept by Josef Zotter. Er und seine Frau haben sich stets an diesen Kernaussagen orientiert.
Ausgleich zu dem Fulltime-Job in der „Zotter-Welt“ findet das Ehepaar inmitten ihrer 5 ha großen Landwirtschaft z.B. beim morgentlichen Bewässern des Gartens um 5 Uhr in der Früh. Danach, bei einer Tasse Kaffee, entsteht ein Gefühl der Dankbarkeit über das Erreichte. In dieser Muse-Stimmung entwickelt Zotter Sätze wie diese: „wir müssen uns bei den Jungen entschuldigen, denn wir haben schon wild gelebt“.
Wir haben uns geistreich verplaudert. eineinhalb Stunden statt der geplanten 30 Minuten. In dieser Umgebung der Heiterkeit, der Authentizität dieses Mannes und der heiteren Stimmung, die sich in allen Sätzen von Josef Zotter wie Hintergrundrauschen verbreitete, hätten wir Stunden verbringen wollen.
Text und Film: Elmar Thomassek
Bilder: Aufmacher: Lutz Dürichen
Bild 1: Citroen
Bild 2 und 3, Fahrzeuge: Zotter
Bild 4 Schinken online: Lutz Dürichen
Bilder 5 und 6, Backhendl, Käferbohnen: Steiermark Tourismus
Bild 7, Schweine: Arche Austria/Czerny
Bild 8, „Am Vieh Theater“: Lutz Dürichen
Bild 9: Solaranlage: Zotter