Die Elektromobilität beschränkt sich längst nicht auf Landfahrzeuge wie E-Autos, Pedelecs oder strombetriebene Roller und Motorräder. Auch auf dem Wasser ist der Trend zu emissionsarmer Fortbewegung in vollem Gange und verschafft den Passagieren von elektrischen Booten und Schiffen eine besonders faszinierende Art des Naturerlebens. Und wie schon bei den „Stromern“ zu Lande, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre erste Blütezeit erlebten, kann auch die Elektroschifffahrt auf eine lange Historie zurückblicken.
Erste Anfänge auf dem Königssee
Wir schreiben das Jahr 1908. Der Königssee zieht immer mehr Besucher an, die mit 57 Ruderbooten, den sogenannten „See-Knechten“, zu den Ausflugszielen dieser fantastischen Gebirgslandschaft befördert werden.
Der Bau der heute nicht mehr existierenden Eisenbahnverbindung von Berchtesgaden nach Königssee ließ eine weiter steigende Zahl an Gästen erwarten. Und so kam es schließlich auch. Im Sommerhalbjahr 2010 transportierte die Lokalbahn bereits knapp 255 000 Personen an den See. Folglich drängte eine Entscheidung über die Einführung einer Motorschifffahrt. Eine durchaus nicht neue Forderung, war doch bereits 1873 der Ruf nach einem Dampfschiff laut geworden. Ein entsprechender Antrag wurde jedoch von König Ludwig II. abgelehnt, obgleich dieser eine hohe Affinität für technische Neuerungen besaß.
Als es schließlich 1909 dann doch zur Entscheidung kam, fiel das Votum schnell zu Gunsten eines elektrischen Antriebs, wobei, anders als heute, noch nicht der Umweltgedanke den Ausschlag gab.
Jagdglück dank Elektroantrieb
Eine nette, jedoch nicht verifizierbare, Erzählung der Bootsführer lautet, dass Prinzregent Luitpold sein Jagdglück am See durch den Lärm von Verbrennungsmotoren beeinträchtigt sah, da dieser das Wild hätte verscheuchen können. Die Anschaffung der lautlos über den See gleitenden Elektroboote war daher ganz in seinem Sinne. Eröffnet wurde die Elektroschifffahrt schließlich 1909 mit dem von den Siemens-Schuckert-Werken gelieferten Elektroboot „Accumulator“.
Es fasste 38 Personen, war 12 m lang, 2,15 m breit und verfügte über ca. 15 PS. Die Energie stellte eine Bleibatterie bereit, die bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h einen Aktionsradius von rund 100 Kilometern ermöglichte
Aufschwung der Elektroschifffahrt
Das Modell bewährte sich dank seiner Zuverlässigkeit, Emissionsfreiheit und der niedrigen Betriebskosten, auch im Vergleich mit zwei ebenfalls eingesetzten Dampfmaschinenbooten, die mit Petroleum befeuert wurden. Folglich kamen bald schon weitere E-Boote hinzu, im Jahr 1913 umfasste die Flotte bereits 12 Schiffe. Noch heute ist ein Boot aus dem Jahr 1929 im Einsatz.
Die im Besitz des Freistaats Bayern befindliche Schifffahrt Königssee betreibt heute 18 baugleiche Elektromotorboote, die circa 20 m lang, etwa 3,50 m breit und für 93 Personen zugelassen sind. Zudem gehört ein kleineres Elektromotorboot für 25 Personen zur Flotte. Während der Nacht werden die Blei-Akkus mit kostengünstigem Nachtstrom geladen. Die Kapazität der vollen Batterien reicht für circa 12 Stunden Einsatz.
In Deutschlands höchstgelegener, betriebseigener Werft werden nicht nur Reparaturen und Generalinstandsetzungen durchgeführt, sondern auch vollständige Neubauten gefertigt.
Flüsterleise über den See gleiten
Kaum ein Urlaubs- und Ausflugserlebnis wird dem Titel unseres Spezials „Natur nachhaltig erfahren“ in so perfekter Weise gerecht wie eine entspannte Bootstour auf dem kristallklaren, oftmals smaragdgrünen Wasser des Königssees. Dieser erstreckt sich ähnlich einem Fjord eingebettet zwischen bewaldeten Berghängen und schroffen Felsgebilden auf einer Länge von fast acht Kilometern, mitten in Deutschlands einzigem Alpen-Nationalpark.
Naturgenuss pur, nicht erst auf den Wanderrouten am See, sondern bereits auf der umweltfreundlichen Anfahrt dorthin per Elektroschiff. Apropos Genuss, auch für das leibliche Wohl ist gesorgt, zieht es doch viele der jährlich ca. 700 00 Fahrgäste vom Anlegepunkt der Halbinsel mit der berühmten Wallfahrtskirche St. Bartholomä direkt ins nahe Wirtshaus, um sich typisch oberbayrischen Spezialitäten hinzugeben. Und wer der Völlerei allzu sehr frönt, kann nebenan gleich Buße tun.
Elektrokreuzfahrten mit Alpenkulisse
Die E-Mobilität auf dem Wasser beschränkt sich bei der Bayerischen Seenschifffahrt inzwischen nicht mehr allein auf den Königssee. Auch auf dem Starnberger See vor den Toren Münchens kommen seit dem Sommerhalbjahr 2021 Fahrgäste des Elektromotorschiffs „Berg“ ebenfalls in den Genuss sanfter Mobilität auf dem Wasser. Bereits im ersten Jahr seit Inbetriebnahme konnte das mit 100 Prozent Ökostrom versorgte E-Schiff in über 1.900 Betriebsstunden mehr als 50.000 Gäste befördern. Es ist mit Panoramadeck, WLAN und Aufzug bis hin zur Lademöglichkeit für Elektrofahrräder modern ausgestattet. Von Bord aus lässt sich die Schönheit des Starnberger Sees vor der Kulisse der bayrischen Alpen in umweltfreundlicher Weise erleben.
Zwischen dem Starnberger See und Garmisch Partenkirchen liegt das nach der bekannten Künstlergruppe „Blauer Reiter“ benannte „Blaue Land“. Inmitten dieser zauberhaften Voralpenlandschaft befindet sich mit dem Murnauer Moos eine wahre Perle der Natur mit einer einzigartigen Flora und Fauna.
Die besondere Stimmung dieser Region lässt sich auf zahlreichen Rad- und Wanderrouten einfangen, aber ebenso vom Wasser aus, denn auch die Staffelsee Schifffahrt lädt zu einem Ausflug ohne Abgas- und Lärmemissionen ein.
Die „Staffelseerin“ ist ein reines Elektro-Fahrgastschiff mit einer Länge von 16.5 Meter und einer Breite von 4 Metern. In ihm können 48 Personen an Tischen Platz nehmen, insgesamt ist es für 70 Personen zugelassen. Es verbindet die Ortschaften Seehausen, Murnau und Uffing und kann dank seiner Ausstattung mit Solarmodulen auf dem Dach bei guten Wetterbedingungen und Geschwindigkeitsreduzierung sogar zum Nulltarif nur mit Sonnenenergie fahren. Von Mitte April bis zum Saisonende werden täglich auch Rundfahrten angeboten.
E-Schifffahrt in Österreich mit langer Tradition und solarelektrischer Gegenwart
Bereits im Jahre 1913 begründeten die Eisenbahnbetreiber und Mobilitätspioniere Josef Stern und Franz Hafferl die Elektroschifffahrt auf dem Attersee mit zwei strombetriebenen Booten, der „Baron Handel“ und der „Attergau“.
Fast 100 Jahre später schloss sich 2011 auf dem Altausseer See der elektro-mobile Kreis des Familienunternehmens Stern & Hafferl in Form des ersten österreichischen Solarschiffs. Die „Altaussee“, ein 25 Meter langer Katamaran ausgestattet mit 60 Quadratmetern Solarmodulen wird ausschließlich mit Sonnenenergie betrieben, die für den Betrieb an trüben Tagen in Batterien zwischengespeichert wird. Bevor es auf dem Bergsee im Steirischen Salzkammergut zum Einsatz kam, war das 1998 in der Österreichischen Schiffswerften AG Korneuburg erbaute Aluminium-Schiff zunächst auf der Donau, danach auf dem saarländischen Bostalsee unterwegs. Es bietet 50 Plätze unter Deck sowie 30 Plätze auf dem Freideck und ist für 100 Personen zugelassen. Besonders bemerkenswert: Im Vergleich mit konventionell angetriebenen Schiffen gleicher Größe spart die Altaussee“ jährlich 17 Tonnen CO 2 ein und verursacht dabei lediglich Stromkosten von weniger als 1.500 Euro. Von Mai bis Oktober besteht ein Linienverkehr, für Gruppen und Feiern kann das E-Schiff auch gechartert werden.
Totes Gebirge und Altausseer See - ein Eldorado für Naturliebhaber
Wer mit der „Altaussee“ sanft über das Wasser gleitet, sollte unbedingt ein Fernglas zur Hand nehmen, denn die an den See angrenzenden Feuchtgebiete bilden Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Mit etwas Glück lässt sich evtl. gar ein prachtvoller Silberreiher erspähen. Im Jahre 2006 wurde die Region „Totes Gebirge“ mit dem Altausseer See als Europaschutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie sowie nach der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie ausgewiesen. An den Wänden der umliegenden Berge brüten Steinadler und Wanderfalken, Uhus und Mauerläufer. Die urwaldähnlichen Wälder bieten seltenen Eulen und Spechten ebenso einen idealen Lebensraum wie Ringdrosseln, Fichtenkreuzschnäbel oder Bluthänflingen.
Neue Ära auch auf dem Bodensee
Seit Herbst 2022 verkehrt auf dem Bodensee mit der „MS Insel Mainau“ ein großes Elektro-Schiff, auf dem sogar 300 Personen Platz finden. Wegen der Bauweise als Katamaran bietet es mit seinen zwei Rümpfen deutlich weniger Wasserwiderstand und folglich eine geringere Energiemenge für den Antrieb. Über dem Freideck des 33 Meter langen Schiffs befindet sich eine Photovoltaik-Anlage, die bei sonnigem Wetter bis zu einem Drittel des Energiebedarfs der "MS Insel Mainau" decken kann. Über Mittag und nachts werden die Hochleistungsakkus im Hafen von Unteruhldingen geladen.
Mit dem E-Schiff zur Insel Mainau
Wer mit der E-Fähre „Insel Mainau“ Kurs nimmt auf die gleichnamige Insel im Bodensee hat die Möglichkeit, bei den Bodensee Schiffsbetrieben (BSB) direkt ein Kombiticket mit Inseleintritt zu wählen. Die Besucherinnen erreichen auf diese Weise klimafreundlich den Inselhafen im Überlinger See und betreten den Schlosspark und ‚schwimmenden botanischen Garten‘ im Bereich des Ufergartens.
Festival der Sinne auf der Blumeninsel
Um das 45 Hektar große Eiland zu erkunden, sollte man etwas Zeit mitbringen, denn es gibt viel zu entdecken. Der Park ist in thematische Bereiche unterteilt, viele davon mit botanischen Schwerpunkten. Im Sommer zieht besonders ein bunt-fröhlicher Staudengarten zahlreiche Besucher an, ebenso ein streng geometrisch angelegter Rosengarten in direkter Nähe zum barocken Schlossensemble. Großartige Ausblicke auf den Bodensee bieten die Mediterranterrassen oder die Frühlingsallee, die im Frühling umrahmt ist von Wiesenpflanzungen mit Krokussen, Narzissen und Tulpen. Jede Jahreszeit ist begleitet von einem anderen Blütehöhepunkt, so folgen der Frühlingsblüte die Rhododendren und Pfingstrosen, im Sommer liegt der Fokus auf der Rosenblüte, aber auch Hortensien und exotische Beet-Arrangements mit großen Solitärpflanzen wie Palmen, Bananenstauden oder den Fuchsien namens „Alt-Mainau“ gibt es dann zu bestaunen. Auch die Herbstfärbung der Gehölze sowie die ruhigere Winterzeit, in der Scharen von Wasservögeln beobachtet werden können, sind Grund, der Insel einen Besuch abzustatten. Das Palmenhaus im Schlossbereich sowie ein großzügiges tropisches Schmetterlingshaus mit exotischer Bepflanzung und kleinem Wasserfall bieten an kühleren oder regnerischen Tagen traumhafte Plätze zum Verweilen.
Verschiedene gastronomische Betriebe laden zum Verweilen und Genießen ein, wobei der Fokus insbesondere auf regionalen und saisonalen Angeboten liegt. So gibt es etwa Apfelsaft aus eigenem Bioland-Anbau und auch sonst ist man auf der Mainau bestrebt, den Bio-Anteil der Speisen sowie das vegan-vegetarische Angebot stetig zu erhöhen.
Nachhaltiges Naturerlebnis
Die Insel Mainau ist bereits seit 1961 auf Nachhaltigkeits-Kurs. Der damalige Inselherr Lennart Graf Bernadotte initiierte damals die Mainauer Gespräche, aus denen die „Grüne Charta von der Mainau“ hervorging; ein Manifest für Umweltschutz und eines der ersten Nachhaltigkeitsdokumente der jungen Bundesrepublik. Seitdem wurde und wird die Insel von Graf Bernadotte sowie seinen Kindern Bettina Gräfin Bernadotte und Björn Graf Bernadotte in diesem Sinne geführt. Im Jahr 1998 wurde die Insel Mainau als damals erstes deutsches Tourismusunternehmen und einziger botanischer Garten Europas nach dem Eco Management and Audit Scheme (EMAS) zertifiziert und möchte bis 2030 klimaneutral agieren. Ins Besuchererlebnis fließt der Nachhaltigkeitsaspekt auf verschiedene Arten mit ein. So gibt es beispielsweise Info-Stationen zum Thema Wasser und heimische Vogelarten. Ein Insektengarten, Nisthilfen für Vögel, Fledermauskästen und die eine oder andere höher gewachsene Wiesenfläche zeugen vom Biodiversitäts- und Artenschutz-Engagement auf der Blumeninsel. Während des Blumenjahres von März bis Oktober ist die Mainauer Pflanzenberatung vor Ort präsent, beantwortet Fragen und gibt Tipps zum ökologischen Gärtnern Zuhause.
Bei der Abreise mit der E-Fähre bietet es sich an, noch ein Bio-Holzofenbrot aus der Inselbäckerei fürs Abendbrot einzukaufen.
Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern werden zunehmend strombetriebene Ausflugsboote eingesetzt. So kommen etwa auf dem Zürichsee sukzessive Elektro-Fahrgastschiffe zum Einsatz und in Amsterdam muss sogar die komplette Flotte der Grachtenboote bis 2025 emissionsfrei werden.
Fähren und Hausboote - die Elektrifizierung schreitet voran
Die Weiße Flotte in Stralsund betreibt u.a. die Solarfähre „Sünje“ auf dem Selliner See in der Urlaubsregion Mönchgut-Granitz. Hier verkehrt sie im Pendelverkehr zwischen Sellin und Baabe. Besonders unter dem Klimaschutz-Aspekt werden hier Busse, Bäderbahn und Schiffsverkehr aufeinander abgestimmt. Zudem erhalten die Gäste der kooperierenden Gemeinden gegen Vorlage ihrer Kurkarte ein Ticket zur kostenlosen und barrierefreien Beförderung.
Die solarunterstützte E-Fähre „Sünje“ belastet die Umwelt weder durch Rußpartikel, CO2 noch durch Stickoxide oder Schwefeloxide.
Menschen, die auf Unabhängigkeit Wert legen und bevorzugt ihre eigenen Wasserrouten planen, können inzwischen auch elektrische Hausboote erwerben oder mieten.
Wer mit einem Solar-Hausboot wie hier von „BunBo – Das BungalowBoot“ unterwegs ist, kann sich lautlos an idyllische Naturrefugien heranpirschen.
Bei der Aquare Charter GmbH in Brandenburg an der Havel stehen 150 Hausboote der Marke BunBo zur Vermietung bereit. In 2022 begann auch hier mit dem Modell 1200E das solarelektrische Zeitalter. Es besitzt 4+2 Schlafplätze mit zwei getrennten Schlafkojen, zusätzlich steht im Wohnzimmer eine ausklappbare Schlafcouch zur Verfügung.
Die Solaranlage auf dem Dach liefert 6 KW Peak-Leistung, die Reichweite des 1200E beträgt ohne zusätzliche Sonneneinstrahlung bis zu 40 Kilometer. Noch in 2022 wurden zwei weitere Boote dieses Elektro-Modells gefertigt, für 2023 sind 10 weitere projektiert. Ein Paradebeispiel für nachhaltigen, emissionsfreien Tourismus.
Text: Peter Grett
Bilder:
Aufmacher, Bilder 1,2,3: Bayrische Seenschifffahrt
Bild 4: Staffelsee Motorschifffahrt GmbH
Bilder 5,6: Stern Schifffahrt GmbH
Bild 7: Bodensee-Schiffsbetriebe GmbH
Bilder 8,9: Mainau GmbH
Bild 10: WEISSE FLOTTE GmbH
Bilder 11,12: Aquare Charter GmbH